Der Mülheimer Pflegedienst „Engel vonne Ruhr“ ist eine von drei ambulanten Pflegeeinrichtungen in Deutschland, die mit dem „Wundsiegel“ des ICW (Initiative chronischer Wunden) ausgezeichnet wurde. Ein Erfahrungsbericht.
„Wir haben schon ein bundeslandübergreifendes Netzwerk zu anderen Aktiven aufgebaut und tauschen uns mit Praxiserfahrungen und offenen Problemen aus“.
Christian Westermann
Mit großen Schritten und zugleich mit praxisnaher Bodenhaftung hat sich der Mülheimer Pflegedienst „Engel vonne Ruhr“ den Herausforderungen in der Wundversorgung gestellt. Längst überfällig war es für Geschäftsführer Christian Westermann, die Branchenproblematik „Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden“ in den Fokus zu nehmen.
Die Erfahrung in der häuslichen Pflege hat deutschlandweit seit Jahren gezeigt, dass eine optimale Versorgung von Wunden durch Pflegekräfte unter Zeitdruck so gut wie nie fachgerecht möglich war. Die Wundversorgung – ein Stiefkind, dass immer nebenbei mit erledigt werden muss. Es fehlt die Zeit, das Fachwissen, das passende Material und natürlich die Vergütung. Während eines täglichen Einsatzes unterschiedlichste, schwer heilende Wunden adäquat zu versorgen und die Betroffenen auch noch engagiert zu beraten, ist einfach nicht realistisch. Mit dem Ergebnis: die Pflegekräfte im ambulanten Bereich kommen auch hier permanent an ihre Grenzen.
Das Führungsteam von „Engel vonne Ruhr“ hat jedoch schon seit seiner Gründung Grenzen immer als Ansporn verstanden, um neue Ansätze auszuprobieren, um Lücken zu schließen und mit dem ganzen Team beweglich zu bleiben. So hat Christian Westermann auch diesen Problembereich der Wundversorgung zum Anlass genommen, positiv und zukunftsorientiert zu denken und auf eigene Initiative über Monate ein Team von Wundexperten, Fachtherapeuten bzw. Wundmanager mit eigenen Wundmobilen aufgebaut. Viel Fortbildungsarbeit, Motivation und finanzielle Vorleistungen waren gefragt, um heute ein spezialisierter ambulanter Pflegedienst für chronische Wunden zu sein.
Und nicht nur das: die Einrichtung in Mülheim ist bisher eine von nur drei Pflegediensten in ganz Deutschland, die mit dem „Wundsiegel“ des ICW (Initiative chronischer Wunden) ausgezeichnet sind, und somit offiziell zertifiziert im Bereich Wundmanagement sind. Als Spezialisten können sie umfassend und gut ausgebildet ein ausreichendes Qualitätsniveau in personeller, fachlicher, organisatorischer und sachlicher Hinsicht sicherstellen.
„Raus aus der negativen Beschwerdehaltung – ran an neue Konzepte! Es liegt in unserer DNA als Pflegekraft bei den ‚Engel vonne Ruhr‘, dass wir Dinge angehen, statt abzuwarten und uns zurückzulehnen“, sagt Martin Wrede, Fachtherapeut Wunde und Leiter des Wundmanagements. „Wir haben im Bereich Wundmanagement in den letzten Monaten sinnvolles Knowhow aufgebaut und sehen direkt die Erfolge in vielerlei Hinsicht: wir schaffen es durch diese Spezialisierung, Wunden nach wenigen Wochen nicht nur optimal zu versorgen, sondern zu heilen.“ So werde der typische Drehtüreffekt der Patienten – immer wieder zurück ins Krankenhaus oder in die Praxen – unterbrochen.
„Und wir holen die Betroffenen auch aus ihrer schambesetzten Isolierung zurück ins Leben. Zum Teil sind Betroffene nicht in der Lage, Wundambulanzen und Ärzte aufzusuchen. Diese ambulante, professionelle Versorgung zuhause entlastet die Ärzte, die Krankenhäuser, die Kassen und an erster Stelle: die betroffenen Menschen innerhalb kürzester Zeit!“, erklärt Wrede.
Und aus der Sicht der Wirtschaftlichkeit können die Kosten für die Weiterbildung und die Aufrüstung durch die zu erwartende höhere Vergütungsvereinbarung refinanziert werden. Der Mülheimer Pflegedienst hat darüber hinaus einen Zulauf von Pflegefachkräften festgestellt, die sich ebenfalls spezialisieren wollen und motivierter als je zuvor einen Fachbereich für sich entdecken, in dem sie als Spezialisten eine wichtige Schnittstelle in der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Fachärzten, Therapeuten und Betroffenen sind – mit direkt sichtbaren Erfolgen.
Deutschlandweit brennt dieses weit verbreitete Problem der „Chronische Wunden“ vielen Praxen, Altenheimen, Pflegediensten und Krankenkassen unter den Nägeln: am Beispiel einiger aktiver Vorreiter wie die „Engel vonne Ruhr“ sollten Pflegedienste diese neue Herausforderung als zukunftsorientierten Ansporn sehen. Hintergrund dieses Themas ist eine aktuelle HKP-Richtlinie, seit dem 22. März 2023 in Kraft, die das Stiefkind „Wundversorgung“ mit neuen Qualitätsanforderungen auf ein neues Level hebt. Es kommt eine große Veränderung in der Versorgungsstruktur auf Deutschland zu, da im Zuge dieser Richtline zukünftig ambulante Versorgung ausschließlich durch geprüfte Spezialisten (Wundmanager bzw. Wundexperten und Wundtherapeuten) parallel zur häuslichen Pflege vorgeschrieben wird. Sobald eine angepasste Vergütung mit den Kostenträgern verhandelt ist, bedeutet dieser Schritt zusätzlich eine Chance für ein zweites Standbein der Dienste.
Die Anhebung der Qualifikation von Pflegefachkräften zum Wundexperten ist für alle ambulanten Dienste innerhalb der nächsten zwei Jahre nachzuweisen. Mit der entsprechenden Vergütung, dem zusätzlichen Knowhow und der eingeplanten Einsatzzeit wird die fachgerechte Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden sowie die praktische Umsetzung präventiver Maßnahmen in der häuslichen Pflege endlich realistisch und zusätzlich eine neue Motivation für Arbeitskräfte in der Pflegewelt.
„Wir haben schon ein bundeslandübergreifendes Netzwerk zu anderen Aktiven aufgebaut und tauschen uns mit Praxiserfahrungen und offenen Problemen aus – wir teilen gerne unseren ‚Wissensvorsprung‘ mit anderen, die sich jetzt um Weiterbildungen und Strukturen kümmern wollen“, sagt Westermann. (ck/lon)